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Politische Kunst - Der Kampf gegen Rechts ist keine Kunst

Kisslers Konter: Künstler wollen die Erderwärmung stoppen, den Waffenhandel abschaffen, die Prostitution und die Massentierhaltung. Kunst ist längst zum Pausenfüller geworden zwischen Unterschriftenaktionen

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Ein schönes Wort ist es einmal gewesen, das Wort Respekt, ehe es zum Megafon für Halbstarke verkam. Respekt wird heute eingeklagt für diese oder jene Besonderheit, als verdiente alles, was existiert, den Beifall der Gesellschaft. Gemeint ist in der Regel Akzeptanz, stattdessen sagt man Respekt und will also Zustimmung, Lob, Wertschätzung für allen Eigensinn und alle Rücksichtslosigkeit. Bald wird der Handtaschendieb Respekt von seinem Opfer verlangen, der Beleidiger vom Beleidigten.

Insofern ist es Floskeldeutsch im Stil der Zeit, wenn Künstler in München auf Initiative der Stadtregierung zu einem Bündnis namens „Kunst und Kultur für Respekt“ aufrufen. Löblich und ehrenwert klingt, was sich die steuerfinanzierte Elite vorgenommen hat. Man will „Rassismus, Rechtsextremismus und Rechtspopulismus“ die Stirn bieten. So beruhigend es auch ist, dass München mit Linksextremismus und Linkspopulismus kein Problem hat: Dahinter lauert Leere, nichts als Leere. Hier trommeln Künstler, die ihrer Kunst nicht trauen. Hier schlagen Kulturproduzenten Alarm, die Kultur für defizitär halten. Traurig ist diese Totalkapitulation der Kunst vor dem Künstlerischen.

In eher raunender denn benennender Sprache und mit vielen Zeichensetzungsfehlern plädieren die Kammerspiele, das Residenztheater, das Stadtmuseum und fast alle anderen wichtigen Kultureinrichtungen für ein „demokratisches, weltoffenes und multikulturelles München, in dem respektvoll miteinander umgegangen wird.“ Dieser Satz wäre 1935 in der „Hauptstadt der Bewegung“ eine Sensation gewesen und eine heroische Tat. Heute ist er gratismutig, banal und selbstgefällig.

Vermutlich war das auslösende Moment eine Unterschriftenaktion gegen den Bau eines umstrittenen islamischen Zentrums rund um den umstritteneren Imam Idriz, einen Vielredner mit zweifelhaften Vorbildern. Vermutlich wird diese Unterschriftenaktion den Gang der Ereignisse höchstens verzögern, nicht verhindern. So geht es zu in demokratischen Gesellschaften: Wem etwas nicht passt, der kann für seine Position werben. Wenn die Mehrheit es anders sieht, hat der Unterlegene die Demokratie gestärkt. Die Kulturelite aber träumt von einer Demokratie nur für Demokraten mit Gesinnungs-TÜV. Anders ist die kuriose Formulierung nicht zu erklären, „demokratische Instrumente – beispielsweise die Unterschriftensammlung für ein Bürgerbegehren“ dürften nicht „missbraucht“ werden, „um demokratische Grundrechte wie die Religionsfreiheit zu untergraben.“ Halten zu Gnaden: Nicht jedes Bauvorhaben einer Glaubensgemeinschaft ist ein Fall für die Europäische Menschenrechtskonvention.

Davon abgesehen ist der grassierende Pamphletismus in Künstlerkreisen Ausdruck einer Kunstkrise. Kunst allein soll nicht mehr genügen, es muss Zweckkunst sein, Funktionskunst, Staatskunst. Das Bekenntnis zum richtigen Bewusstsein ersetzt die richtige Kunst. Weil Künstler nicht mehr glauben, dass sie mit ihrer Kunst durchdringen, weichen sie kompensatorisch auf die Felder des Politischen aus und dilettieren dort. Das fing mit Walter Sittlers Einsatz gegen „Stuttgart 21“ nicht an und hörte mit Hannes Jaenickes „Großer Volksverarsche“ nicht auf. Künstler wollen die Erderwärmung stoppen, den Waffenhandel abschaffen, die Kinderarbeit und die Prostitution, die Datenüberwachung und die Massentierhaltung.

Natürlich ist jeder Künstler Zeitgenosse und Teil der Zivilgesellschaft und darf sich zu Wort melden. Mittlerweile aber ist Kunst zum Pausenfüller geworden zwischen Unterschriftenaktionen. Zugleich wird der Kunstkonsument entmündigt, wenn nicht erpresst. Wisse, du Theatergänger und Konzertbesucher, wisse, was du allein nie gedacht hättest: Wir, die Kunstschaffenden, denken das Richtige, lerne von uns, höre zu. Agitprop aber ist ebenso wenig eine Kunst wie der „Kampf gegen Rechts“.

Was nämlich ist Kunst, bei Lichte betrachtet? Der Ernstfall einer Beziehung von Mensch zu Mensch und darum der denkbar schärfste Einspruch gegen Extremismen von links wie von rechts. Kunst ist das Veto der Fantasie gegen das Regiment der Nützlichkeit. Kunst ist Weltoffenheit an sich. Wer seiner eigenen Kunst nicht über den Weg traut und ihr durch Pamphlete und Gewissensdruck auf die Beine helfen will, der scheitert doppelt. Als Künstler wie als Politiker.

 

 

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